Nach einer Geburt muss die Mama glücklich sein. Wenn sie das kleine Ding aus sich herausgequetscht hat, ist die ganze Welt rosa. Und in Watte gepackt. Und überhaupt muss sie so viel grinsen, dass ihr die Backen weh tun.
Weinen darf die Mama aber nicht. Denn es ist ja alles gut. Und traurig sein ist nicht erlaubt. Das ist ja sonst ein Zeichen, dass die Mama ihr Kind gar nicht haben will. Dass aber gar nicht immer alles so schön ist, wie es scheint und sein sollte, ist vielen immer noch gar nicht bewusst. Viel mehr Leute wissen mittlerweile schon von etwas, das sich Wochenbettdepression nennt. Aber vorstellen kann man sich das nur, wenn man das auch hatte. Oder direkt davon betroffen ist. Zum Beispiel der Papa. Für den ist das nämlich auch ganz schön erschreckend. Auf einmal ist da ein neues Familienmitglied und die Frau, die sonst (meist) die Stärkere war, ist plötzlich nicht mehr sie selbst. Und machen kann er gar nichts.
„Ich habe mich jetzt mal informiert und einige Broschüren rausgesucht“, versuchte mir meine Frauenärztin zu helfen. „Das tut mir leid, dass ich Ihnen da nicht ganz so gut helfen kann, so viele Patientinnen hatten das hier noch gar nicht“, so die besorgte Ärztin mit vielen Jahren Berufserfahrung weiter. Ich wurde also sofort in die Depressionsambulanz weiterverwiesen, die sich in unserem Berzirkskrankenhaus befindet und es nicht gerade leichter macht, sich einzugestehen, dass man „sie nicht mehr alle hat“.
Sogleich wurde mir Medikation und ein stationärer Aufenthalt angeboten – nachdem ich unter Tränen kundtat, wie schlecht es mir ging und darum bettelte, mich zu „reparieren“. Nach dem Gespräch war mir schon ein wenig geholfen. Ich merkte, dass ich in guten Händen war. Da beschwert man sich immer über die Ärzte und Behandlungen – und alle Seiten hatten sich unglaublich schnell und effizient um mich gesorgt und gekümmert.
Das einzige Problem stellte mein direktes Umfeld dar. Der größte Teil der Familie und einige Freunde verstanden eben einfach nicht, warum mir andauernd grundlos die Tränen über das Gesicht liefen. Warum ich aussah wie ein Häufchen Elend und weshalb ich schon von einem einfachen Besuch oder Einkauf überfordert war. An dieser Stelle half die Hebamme mit einer ganzen Menge Aufklärungsarbeit und kümmerte sich wie ein Löwe darum, dass jeder halbwegs akzeptierte, dass es eben war, wie es war.
Und doch dauerte es lange, bis alle halbwegs verstanden und anerkannten, dass es nicht gut war. Mittlerweile fing ich auch an, Tabletten zu nehmen, damit es endlich besser würde und ich mein Kind beim Namen nennen konnte und nicht nur„Baby“ sagte. Ich fing wieder an, zu essen, stand aus dem Bett auf und starrte nicht mehr nur an die Wand. Die Tränen saßen noch immer ganz locker, aber daran war bald jeder gewöhnt. „Die, die immer heult“.
Die Heilung erfolgte in langsamen Schritten. Die schlechten Phasen kamen in Wellen und brachen unangemeldet über mich herein und zogen mich wie ein Sog jedes Mal wieder ein Stück zurück auf meinem hart erkämpften Weg zurück in die normale, gesunde Welt.
Und doch hatte ich schon wieder viele tolle Tage. Ich konnte mein Kind lieben und war stolz. Ich liebte meinen Mann. Und auch mein Leben im Allgemeinen wurde so langsam wieder mein Freund. Auch auf unser zweites Kind konnte ich mich freuen und sah positiv gestimmt in die Zukunft.
Es ging bergauf. Und außerdem tat es gut, zu wissen, dass ich nicht die Einzige war, die nach der Geburt eines Wunders nicht nur schmachtend durch Blumenwiesen hüpfte. Abgesehen davon sind Blumenwiesen sowieso nicht mein Beuteschema – ich hab ja schließlich Heuschnupfen.
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