Eine befreundete Psychologin sagte mir mal, in einer Beziehung ist der Eine immer der Ordentliche, der Andere der Unordentliche. Auch wenn einer nur etwas weniger aufräumt, kriegt er sogleich das Etikett „schlampig“ verpasst – auch wenn er, verglichen mit fast allen anderen Menschen auf der Welt, penibel ist. In Beziehungen zählt nur der direkte Vergleich mit dem Lebens(abschnitts)gefährten: Nur ihn und niemanden sonst stört die herumliegende Socke. Der Andere wird durch diesen Vergleich gefühlt immer unordentlicher, obwohl er vielleicht nur ab und an ein einsames Kleidungsstück herumliegen lässt und sonst aufräumt wie Mutter Beimer aus der Lindenstraße.
Leider bin ich es, die in allen nur denkbaren Konstellationen und Beziehungen und Wohngemeinschaften mit systematischer Ordnung immer mindestens eine Nuance mehr auf Kriegsfuß stand als die Menschen um mich herum. Früher war es sogar noch schlimmer mit mir: Ich machte mich sogar lustig über die, die so richtig viel System in ihrem Haushalt hatten. Meinen eigenen Mann titulierte ich als „Aufräumtyrann“, genau wie meine Nachbarin, die ihre Wohnung immer saisonal dekorierte.
Statt sie mir zum Vorbild zu nehmen, lachte ich sie immer aus, wenn bei ihr mal wieder alles umgestaltet war: von Ostern zu Blumenwiese zu Kürbis zu Advent zu Heiligdreikönig zu Karneval. So korrespondierte bei ihr etwa zur Zeit der Apfelblüte die hellgrüne Tischdecke mit den hellgrünen Servietten, den Kerzen, dem Apfelzweig in der Vase und sicher mit einigen weiteren Dingen, die mir bloß nicht auffielen. Sogar auf der Gästetoilette korrespondierte das Klopapier in Granny-Smith-Style mit ebensolchen Handtüchern. Die Hände wusch ich mir dort in diesen Tagen natürlich mit Apfelduft-Seife.
Als ich schwanger war, packte es mich allerdings. Es überraschte mich selbst am meisten, aber auch ich wurde vom Nestbautrieb heimgesucht. Ich begann mit der Wandgestaltung des zukünftigen Kinderzimmers. Mit Hilfe von Schablonen pinselte ich Mogli, Balu und Shir Khan aus dem Dschungelbuch an die Wände, samt entsprechender Flora.
Tags darauf bummelten der Liebste und ich durch ein Möbelhaus. Irgendwann sind wir bei den PAIDI Möbeln des Programms „Fiona“ gelandet, denn als ich gelesen habe, dass die Betten, Schränke und Kommoden nur aus unbelasteten Materialien gefertigt und mit giftfreien Lacken veredelt werden, war klar: Genau so wollte ich das für mein Kind haben.
Der Verkäufer überzeugte mich letztlich noch von der Langlebigkeit der schicken Möbel: Sie sind bestens verarbeitet, und das Babybett, das mir am besten gefiel, lässt sich sogar 4-fach höhenverstellen und letztlich zum Kindersofa umbauen. Dazu passte, ebenfalls von PAIDI, eine Kommode mit Wickelaufsatz. Und wenn wir später mehr Stauraum brauchen, könnte ich jederzeit einen passenden Schrank nachordern. Wir bestellen – und sind sogleich einen riesigen Schritt weitergekommen! Als ich allerdings beim Verlassen des Möbelhauses noch eine bezaubernde rosarote Deckenlampe sah, die gar nicht in den Dschungel passte, sondern lediglich in ein Prinzessinnen-Gemach, brach ich, hochschwanger, fast in Tränen aus …
Es wurde Abend, und es wurde Morgen: Am nächsten Tag meiner persönlichen Schöpfungsgeschichte machte ich nach überstandener Sinn-Krise weiter – und schuf eine feste Ablage, in der die tägliche Post ihren Platz hat. Ich sortierte Bücher aus, in den Keller oder ins Altpapier. Bügelte nicht nur Blusen und Hemden, sondern auch Handtücher, Socken, Unterhosen und die drei Babystrampler für gleich nach der Geburt. Meinen Mann forderte ich auf, gleich nach dem Essen die Teller in die Spülmaschine zu räumen („Wie sieht das denn aus, wenn die Nachbarin gleich zu uns kommt?“).
Ich war überzeugt davon, endlich den richtigen Weg zu beschreiten: Immerhin ging es auch darum, unserer Tochter in Zukunft ein gutes Vorbild in Sachen Ordnung zu sein. Sie sollte nicht wie ich frisch gewaschene Pullover in den Schrank knüllen, sondern das Bedürfnis haben, sie akkurat zu falten, gerne mit Hilfe eines Lineals. Sie sollte immer wissen, wohin sie gerade den Wohnungsschlüssel gesteckt hat. Und gerne würde sie ihr Kinderzimmer im Winter mit Watte-Schneebällchen verzieren dürfen, und im Sommer mit selbstgefalteten rosafarbenen Taschentuch-Röschen.
Als ich nach vielen Tagen fertig war mit Dekorieren und Einrichten, war ich richtig zufrieden. Ich hoffte, dass mich dieser Ordnungs-Elan nie wieder verlassen würde, denn der Gedanke, dass das Baby in einer schönen, ordentlichen Umgebung aufwächst, der gefiel mir richtig gut. Unsere Besucher, die sollten in Zukunft zur Zeit der Apfelblüte die hellgrüne Tischdecke mit den hellgrünen Servietten, den Kerzen, dem Apfelzweig in der Vase und sicher einige weitere Dinge sehen dürfen – und wenn sie mögen, dürfen sie mich auch dafür auslachen.
Posted on Categories Zusammen leben