„Bei Oma und Opa kann ich immer die Süßigkeiten essen, die ich zu Hause nicht bekomme!“, sagt meine sechsjährige Ella, als ich sie beim sonntäglichen Frühstück frage, was Oma und Opa für sie bedeuten. Zugegeben, diese plakative Definition ist ein bisschen nah am Hund, der die Zuneigung zu seinem Frauchen an deren Wurstvorrat bemisst – und spiegelt natürlich nur einen Teilaspekt der Liebe zu den Großeltern wider. Warum sind Oma und Opa so wichtig für Kinder?
Da meine eigenen Eltern nicht als Bezugspersonen zur Verfügung stehen, kommt Jules Eltern eine besondere Bedeutung zu. Sie sind nicht nur die Besten, sondern auch die Einzigen, während die meisten anderen Kinder jeweils über zwei Großelternpaare verfügen dürfen. Die Großeltern wohnen zwar etwa eine Autostunde entfernt – aber telefonisch und zu allen besonderen Anlässen sind sie immer und auf jeden Fall parat.
Schon während der Schwangerschaft stand die zukünftige Oma uns mit Rat und Tat zur Verfügung. Als dann Klara auf der Welt war, richteten sich nicht nur die frischgebackenen Eltern wie Eisenspäne um einen Magneten, also Klara, aus. Oma und Opa kamen nun wöchentlich, auch um mal hier und da zu entlasten. Wer schon einmal Elternzeit gehabt hat, weiß um die Freude, die ein ungestörter Toilettengang bedeuten kann. Da ich häufig samstags arbeite, fuhr auch Jule häufig zu ihren Eltern, um die langen Samstage sinnvoll zu verbringen und Oma und Opa für Klara als feste Bezugspersonen zu etablieren.
Als Klara 15 Monate alt war, wagten wir den Absprung: Wir gingen zwei Tage in der Nähe des Wohnorts meiner Schwiegereltern wandern. Zwei Tage Natur und Einsamkeit auf dem Wanderweg und Lümmelleben in Pensionen, kein Wickeln, kein nächtliches Weinen, Friede – das wollten wir wiederholen! Umso besser, dass auch Oma, Opa und Klara sich miteinander mopsfidel gefühlt hatten, so dass wir von nun an Oma-und-Opa-Wochenenden einführten. In regelmäßigen Abständen, so alle ein, zwei Monate, übernachtete Klara bei den Großeltern.
Jule und ich konnten mal wieder ins Kino gehen und hatten Zeit für uns als Paar. Zwei Jahre später lag bei Klaras Rückkehr die frischgeborene Ella in der Wiege – meine Frau hatte während Klaras Wochenende bei Oma und Opa Ella zur Welt gebracht, wahnsinnig günstiger Zeitpunkt. Und als Ella etwa ein Jahr alt war, ist sie allein bei den Großeltern geblieben. Ella blieb zwar immer mit dem Schutz der großen Schwester bei Oma und Opa, aber auch sie verbringt sehr gerne die Wochenenden dort.
Bei Oma und Opa laufen die Dinge anders als zu Hause und das ist auch gut so. Solange auch mal etwas Ordentliches gegessen und morgens und abends die Zähne geputzt werden, ist es Jule und mir egal, womit die Vier sich die Wochenenden vertreiben. Wir müssen schon mal auf Pflichten (Hausaufgaben, Schreibtisch aufräumen) pochen, denn die Großeltern sind da gelassener und räumen halt nach zwei Tagen Enkelbesuch die Kinder- und Wohnzimmer auf und gut ist die Welt. Alle haben sich zum Fressen lieb und können sich das auch zeigen.
Bei den Großeltern-Wochenenden stehen natürlich die Kinderwünsche ganz oben auf der Agenda. Fast immer gehen sie ins Schwimmbad oder besuchen einen örtlichen Markt und kaufen den Unsinn, der den Mädchen Spaß bereitet, für den wir aber niemals einen Penny ausgeben würden.
Seit die Kinder größer geworden sind, haben sich auch die Tätigkeiten gewandelt. Nun helfen Klara und Ella den Großeltern beim Heckenschneiden und Rasenmähen – und fühlen sich dadurch groß und gebraucht … und entdecken neue Talente: Meine Schwiegermutter ist z. B. eine routinierte Näherin, und die nun neunjährige Klara ist es deshalb nun auch bald. Mittlerweile kann sie zu Hause allein mit der Nähmaschine meiner Frau arbeiten – sie macht das nicht dauernd, aber doch ab und an und dann sehr gern. Mein Schwiegervater ist Werkzeugmacher und es gibt daher nichts, was er nicht selbst bauen oder reparieren kann. So arbeitet er mit seinen Enkelinnen zusammen in der Werkstatt, sie bauen Ställe aus Holz für die Spielzeugtiere und halten den Garten in Schuss.
Meine Frau berichtet, dass ihr Papa viel verfügbarer bei seinen Enkeln ist als bei ihr selbst – als seine eigenen Kinder klein waren, hat er viel gearbeitet und war erst spät zu Hause und dann erschöpft; klassische Arbeitsteilung der 80er Jahre. Nun nimmt er sich Zeit für seine Enkelkinder, denn auch wir als Eltern sind häufig sehr eingespannt und haben das Gefühl, nicht immer ausreichend für unsere Kinder da sein zu können. Gut also, dass unsere Kinder so tolle Großeltern haben! Außerdem sind unsere Kinder jede Schulferien für eine Woche bei ihnen – niemals gab’s Heimweh, in keinem Alter.
Die Großeltern sind für unsere Kinder wichtige Bezugspersonen und Vorbilder. Bei ihnen stehen andere Sachen im Mittelpunkt als bei den Eltern. Ihre Erziehungsarbeit ist nicht mit Pflichten verbunden – und die Dinge haben ihre eigene Leichtigkeit.
Ich fand es immer problematisch, wenn Kinder stark Mama- und Papa-bezogen sind. Schließlich brauchen die Kinder auch mal jemanden, bei dem sie sich über die Eltern beschweren können oder der ihnen Mut zuspricht; auf deren Rat sie hören, wenn sie die Hinweise der Eltern nicht mehr hören wollen. Es ist gut, wenn es weitere Personen gibt, denen sie so vorbehaltlos vertrauen können wie sonst nur Mama und Papa, Personen von höchster Integrität: eben Oma und Opa.
Meine Schwester, die unsere Kinder auch lieb hat und die den beiden Mädchen auch wichtig ist, kommt zwei- bis dreimal im Jahr zur Ferienbetreuung und ist dann ebenfalls die große Wunscherfüllerin. Sie kümmert sich auch sonst viel um ihre Nichten. Mein Freund Christian ist Ella ein prima Patenonkel, der uns häufig abends mal aushilft und sich selbst einlädt, um engen Kontakt zu den beiden Mädchen zu halten.
Die Bedeutung von Tante, Patenonkel und Großeltern ist nicht deckungsgleich. Jeder Erwachsene ist für die Mädels wichtig und auf seine Weise besonders. Und Oma und Opa sind eben einzigartig für Klara und Ella – Jules Eltern haben einfach einen wichtigen Stellenwert und besonderen Platz im Leben der beiden.
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