Die unbeschwerteste Zeit hatten wir, als wir unser Studium abgeschlossen, einen Job gefunden hatten und in unsere erste gemeinsame Wohnung gezogen sind. Wir mussten auf niemanden Rücksicht nehmen, konnten spontan sein, ausgehen, verreisen … und wenn wir daheim nichts zu essen hatten, weil keiner einkaufen gegangen war, sind wir eben essen gegangen. Erst im Nachhinein weiß man das zu schätzen und dass man das hätte noch viel mehr genießen müssen.
Plötzlich Fremdbestimmung
So sehr man sich ein Baby auch wünscht und man sich mit dem Thema vertraut macht … Es bereitet einen nicht auf die plötzliche Fremdbestimmung vor. Dieses kleine Baby braucht seine Mama 24/7. Papa kann die ersten Wochen kurz mal einspringen, aber Hauptfigur bleibt Mama. Das Wochenbett wird gehütet und man möchte am liebsten die ganze Welt aussperren. Dafür sorgen die Hormone schon ganz gut. Aber ich konnte eben nur dann auf Toilette, duschen oder essen, wenn unser Schatz gerade satt eingeschlafen war. Getränke und Snacks hatte ich einfach immer irgendwo verteilt griffbereit. Und Jens war nach dem Arbeiten für mein leibliches Wohlergehen zuständig. Geduscht habe ich nur, wenn Jens auch zu Hause war. Viel zu groß war die Angst, ich könnte ihr Weinen überhören oder müsste mit eingeschäumten Haaren aus der Dusche hüpfen. Und so vergingen die ersten Wochen.
Langsam in den Alltag finden
Nach circa drei Monaten aber waren Lotti und ich so gut eingespielt, dass ich sie im wachen Zustand in eine Wippe legen konnte und sie zufrieden vor sich hingluckste. Das war ein riesen Meilenstein für uns, denn das gab mir ein bisschen Alltag zurück. Ich konnte – obwohl ich mit ihr alleine und sie wach war – mich nebenher schminken, kurz unter die Dusche springen oder mir mal ein Mittagessen kochen. Und wenn man so langsam in den Alltag zurückfindet, gewinnt die Zeit mit dem Partner und die Zeit für sich selbst wieder an Bedeutung.
Zeit für den Partner
Um auch mal wieder Zeit mit dem Partner verbringen zu können, muss man sich dazu überwinden, das Wertvollste, was man hat, einer anderen Person anzuvertrauen. Für mich kam am Anfang nur meine Mutter in Frage, nennen wir es einfach Urvertrauen. Tolle Mamas werden zu wundervollen Omas, und ich bin ihr so dankbar dafür. Sich ab und an zwischen zwei Mahlzeiten von Lotti mal zwei Stunden rausnehmen zu können, tat unheimlich gut. Gemeinsam einen Kaffee trinken, der nicht schon abgekühlt ist, bevor man überhaupt das erste Mal daran nippt, oder ein Essen nicht runterschlingen zu müssen – hört sich banal an, aber ist gerade in Babys erstem Jahr pure Erholung.
Mit was man sich plötzlich zufrieden gibt, liegt einfach nur daran, dass man das wirklich Wichtige nur noch in diesem kleinen Persönchen sieht. Dadurch spielt der Partner automatisch „nur“ noch die zweite Geige, so dass man sich auch als Paar neu arrangieren muss. Das ist wichtig und ich denke, daran muss man auch arbeiten. Vor allem über die eigenen Erwartungen reden, Gedanken austauschen und Probleme ansprechen. Auch mal zugeben, wenn einem gerade alles zu viel ist, aber auch Verständnis aufbringen, dass beide Elternteile mit den Veränderungen umgehen müssen.
Zeit für sich
Wir Mütter neigen ja oft dazu, die eigenen Bedürfnisse ganz hinten anzustellen. Erst das Baby, dann der Partner und nach allen anderen to dos fallen wir erschöpft ins Bett – und der Schlaf ist eh nicht mehr das, was er vorher einmal war. Ich habe aber für mich gemerkt, je entspannter ich war, desto entspannter waren auch Lotti und mein Mann. Was nützt es mir, wenn ich eine blitzeblanke Wohnung habe, dadurch aber dann völlig in den Seilen hänge. Gewiss ist, dass das Putzen nicht wegrennt. Aber unsere kleinen Mäuse lernen vor allem in den ersten drei Jahren so unheimlich viele Sachen, dass es schon erschreckend ist, wie schnell doch plötzlich die Zeit vergeht.
Auch mal locker lassen
Natürlich kann man nicht alles schleifen lassen, man muss sich ja auch noch wohlfühlen können. Aber ist es denn wirklich so schlimm, wenn die Fenster mal nicht die saubersten sind oder der Kuchen nicht selbstgebacken ist? Vor allem nach dem Wochenbett, in dem man sich über jede lockere Jogginghose freut, sehnt man sich doch wieder nach etwas Schminke und Kleidern, um sich auch wieder als Frau zu fühlen. Auch etwas für den eigenen Kopf zu tun, ein Buch zu lesen oder den eigenen Hobbys wieder nachgehen zu können, trägt sehr zur eigenen Zufriedenheit bei. Diese Zeit muss man sich auch mal beim Partner oder von der vertrauensvollen Person einfordern und danach fragen. Und das ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Wir sollten uns nicht zu sehr blenden lassen von den scheinbar perfekten Mamis, die uns nur eine Momentaufnahme zeigen – ohne dass wir wissen, was dafür alles hinten runterfällt. Den größten Druck machen wir Mütter uns meistens gegenseitig. Dabei ist doch vieles so unwichtig, halten wir doch das Wichtigste in unseren Armen.
Posted on Categories Zusammen leben