Die Couch habe ich aufgegeben. Die Sorge um mein Laptop verdränge ich. Dass überall abgelegte Dinge wie Pilze aus dem Boden sprießen, versuche ich wie ein Naturereignis durchzustehen. Schaue ich ins Kinderzimmer, fühle ich mich wie in der Leitstelle eines Antiterror-Kommandos. Fokussierte Kommandeure starren auf Bildschirme und dirigieren ihre Truppen per Maus und Headset – stundenlang. Drumherum türmen sich angebissene Rationen: Müsli, Chips und jede Menge Getränkeflaschen. Ich stehe vor der Grenzlinie zweier Welten. Hier ist mein erwachsener Alltag, dort gärt ein Kampf der Hormone, streiten Unsicherheiten und gnadenlose Selbstzufriedenheit in einer Fluchtburg aus Videoapps, Chats und Gaming. Pubertät eben.
Höhen und Tiefen
Die Große ist aus dem Haus, verheiratet und jetzt ein Sammelpunkt für meine Gedanken. Sie hat das alles auch überstanden, oft himmelhoch jauchzend und bisweilen zu Tode betrübt. Sicher, in der Rückschau verblassen die schlimmsten Dramen zu harmlosen Anekdoten. Es gab Halbverhungern aus Liebeskummer, krasse Outfitwechsel im Monatstakt und eine morbide Hingabe zu Bands und Künstlern mit abgründiger Weltsicht. Unterbrochen von Heulattacken wie aus dem Nichts oder plötzlichem Verschwinden nach irgendwo. Aber nervig ist es trotzdem, ständig hinterher sein zu müssen, dauernd auf etwas zu pochen und immer wieder nicht aus der Haut zu fahren.
Vorbild zu sein und Dinge, die gemacht werden müssen, zu erledigen, eigene Bedürfnisse zu haben, das ist das Eine. Die ewige Antwort „Mir doch egal“, ist die andere Seite meines täglichen Dilemmas. Ich weiß, dass alles, was wir als Erwachsene vorleben, (trotz permanenter Opposition!) Spuren hinterlässt, Verhalten prägt und hoffentlich auch ein paar gute Früchte trägt. Aber garantiert ist gar nichts. Schon gar nicht, dass sofort etwas aufgeräumt wird oder Schulnoten selbstverständlich im Ranking höher stehen als Highscores oder Like-Klicks.
Wir waren doch genauso!
„Du warst genauso,“ höre ich von meiner Mutter jedes Mal, wenn sie ein Update der Ereignisse bekommt. Nicht mehr und nicht weniger. Sie versucht weder abzuwiegeln noch unsere Konflikte von damals aufzurühren, sondern sie stellt einfach nur fest. Zum Glück belässt sie es dabei, denn an vieles will ich mich nicht mehr erinnern: Schulstoff, der mich nicht interessiert hat, riskante Stunts halbstarker Abenteurer oder meine ständigen Verstöße gegen alle Grundsätze familiären Zusammenlebens. Die „Strafe“ für alle Freiheiten der Pubertät ist, so denke ich manchmal, dass wir uns als Erwachsene ihrer Unvernunft, ihrem Übermut und der ausgelebten, zweifelhaften Euphorie peinlich bewusst sind.
Pubertät bedeutet: durchhalten!
Und ich bin überzeugt, je mehr wir uns selbst mit unserem pubertären Ich versöhnen, desto einfacher überstehen wir die kritische Zeit unserer Kinder mit Pickelcreme, Verschlossenheit und Rebellion gegen einfach alles. Auch ich war so. Und ich habe es überlebt – so wie meine Eltern. Etwas mehr Entspannung bitte nach innen, rede ich mir gut zu, und trotzdem nicht allzu locker lassen beim Kampf gegen das tägliche Chaos. Darauf eine Tafel Schokolade! Und die Verpackung räume ich vielleicht morgen weg.
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