Viele Kinderbuchklassiker sind zeitlos und auch heute noch wunderbar geeignet zum Vorlesen und Selberlesen. Mit Büchern von Autor*innen wie Erich Kästner, Astrid Lindgren, Ottfried Preußler oder Michael Ende sind schon wir aufgewachsen und es ist fantastisch, all diese Geschichten an unsere Kinder weiterzugeben. Oft sind Kinderbücher nicht bloß unterhaltsame Erzählungen, sondern auch lehrreich. Sie können helfen, Kindern ihre Welt zu erklären.
Doch diese Welt ist heute eine andere als vor 30 Jahren. Unsere Gesellschaft und Umwelt verändern sich. Das Internet, die Klimakrise, alternative Lebensmodelle und Geschlechterrollen, Mobbing und Ausgrenzung, Vielfalt und Diversität … Viele dieser Themen haben heutzutage einen anderen Stellenwert. Abgesehen davon, dass es viele technische Innovationen früher natürlich noch nicht gab, stellt sich da doch die Frage: Können die Kinderbücher aus unserer Kindheit diese Themen aus heutiger Sicht alle noch ausreichend und zeitgemäß erklären?
Ein kritischer Blick in die eigene Kindheit
Wenn ich an die Bücher aus meiner Kindheit in den 90er-Jahren zurückdenke, dann sind da natürlich nicht nur die großen zeitlosen Klassiker, an die ich mich erinnere. Besonders in den Bilderbüchern gab es ganz viele veraltete Geschlechterrollen: Da stand Mama am Herd und Papa ging arbeiten. Manchmal gab es alleinerziehende Elternteile, aber „alternativer“ wurde es nicht, was die gezeigten Familienmodelle anging. Meistens gab es Bruder und Schwester, beide wahnsinnig „normal“ und mit Interessen, die den üblichen Geschlechterklischees entsprachen: Mädchen spielten also mit Puppen und Jungs mit Autos. Mobbing und Ausgrenzung waren nur Hänseleien, denn „Was sich liebt, das neckt sich“. Prävention und Stärkung des Selbstbewusstseins spielten keine große Rolle. Großartige Ausnahmen wie Madita oder Ronja Räubertocher bestätigen sicherlich die Regel. Wenn ich da aber an die Frage denke, ob all diese Kinderbücher heute noch ausreichen, um unseren Kindern die Welt zeitgemäß zu erklären, ist die Antwort eher Nein. Aber wie lösen wir dieses Problem?
Kinderbücher erklären und ergänzen
Sicher nicht, indem wir die teilweise etwas veralteten Kinderbücher einfach aus unseren Bücherregalen verbannen. Schließlich sind die Darstellungen nicht grundsätzlich völlig falsch, nur eben nicht mehr unbedingt zeitgemäß oder vollständig. Sehen wir das doch eher als Herausforderung. So wie wir unseren Kindern erklären sollten, warum manche rassistischen Begriffe aus den alten Kinderbuchklassikern heute nicht mehr gesagt werden dürfen, können wir ihnen erklären, warum manches in ihren Bilderbüchern nicht ganz richtig ist. Erklären wir ihnen, dass es nichts mit Zuneigung zu tun hat, gemobbt zu werden. Und dass es völlig ok ist, anders auszusehen oder als Mädchen mit Autos zu spielen. Und, dass in manchen Familien kein Papa da ist und er in anderen Familien den ganzen Haushalt schmeißt. Wenn wir also Kinderbücher grundsätzlich aufmerksam und bewusst gemeinsam mit unseren Kindern lesen, können wir fragwürdige, heute überholte Darstellungen ganz einfach mit ihnen besprechen und erklären. Vielleicht fällt ihnen ja auch selbst auf, wenn etwas nicht ganz stimmt oder sie anderes Zusammenleben als „normal“ kennen.
Außerdem können wir selbstverständlich die Bücherregale unserer Kids durch neue und modernere Kinderbuchliteratur ergänzen. Es gibt viele Autor*innen und Illustrator*innen, die Kindern die Welt und die Gesellschaft, in der sie leben, aktuell und zeitgemäß erklären. Wenn man ein bisschen stöbert, findet man ganz wunderbare Beispiele. Hier einige Favoriten – zum Selberlesen, Vorlesen und Verschenken:
Über Familien- und Lebensmodelle, Aufklärung und unseren Körper:
- Das alles ist Familie zeigt Kindern ab 4 Jahren mit tollen Illustrationen vielfältige Familienmodelle.
- Kindgerechte Aufklärung über die Entstehung von Leben und Familien bietet Ein Baby! Wie eine Familie entsteht für Kinder ab 5.
- Farbenfroh illustriert vermittelt Von wegen Bienchen & Blümchen! Kindern ab 5 Jahren Aufklärung, Gefühle und Körperwissen.
- Kids ab ca. 10 Jahren lernen in Wie siehst du denn aus? Warum es normal nicht gibt, wie unterschiedlich Körper und Körperteile aussehen.
Über Geschlechterrollen und -klischees:
- Spielzeug ist für alle da! erklärt Kindern ab 2 Jahren, dass Spielzeug kein Geschlecht kennt.
- Dass Männer Gefühle zeigen dürfen, lernen Kinder ab 3 Jahren in Männer weinen.
- Ein Junge wie du und Ein Mädchen wie du sind liebevoll gestaltete Bücher für Kinder ab 3 Jahren, die mit den gängigen Rollenklischees aufräumen.
- Eine niedlich illustrierte Geschichte über Freundschaft und Geschlechterklischees für Kids ab 4 ist Lotti und Otto: Eine Geschichte über Jungssachen und Mädchenkram.
Über das Anderssein, Ausgrenzung und Selbstbewusstsein:
- Kinder ab 3 Jahren lernen in Ich bin fast genau wie du, dass alle Menschen Gemeinsamkeiten und Unterschiede haben.
- Du gehörst zu uns oder Jeder ist ein bisschen anders ist eine Geschichte über Mobbing und Freundschaft für Kinder ab 3.
- Theo liebt es bunt erklärt Kindern ab 4 Jahren Anderssein und warum das völlig ok ist.
- Eine zauberhaft illustrierte Geschichte über das Anderssein, Selbstbewusstsein und Rassismus erzählt Sulwe Kindern ab 4.
Über Umwelt, Klima und Ernährung:
- Die beiden Kinderbuch-Lieblinge Nulli und Priesemut erklären Kindern ab 3 Jahren in O weh! O Schreck! Der Dreck muss weg, warum Müll nicht in den Wald gehört.
- Alles über Plastik beantwortet Kindern ab 4 Jahren spannende Fragen zum Thema Kunststoff und Umweltschutz.
- In Wo kommt unser Essen her? lernen Kids ab 6 Jahren realistisch und schön illustriert, wo unsere Lebensmittel herkommen, wie Landwirtschaft funktioniert und was das alles mit Klima- und Naturschutz zu tun hat.
- Aufgeweckten Kindern ab 8 Jahren erklärt Deine Umwelt Alles hängt zusammen! kindgerecht den Klimawandel und wie wichtig das Gleichgewicht unserer Umwelt ist.