In meiner Beziehung mit Jule ist die Arbeitsteilung anders als in herkömmlichen Familien. So ist zum Beispiel der ganze Komplex Einkauf und Kochen meine Sache, und da ich mir da nicht gern reinfuchsen lasse, tituliert Jule mich manchmal als „Küchen-Diktator“. Soll heißen, dass ich in Essens- und Küchendingen sehr auf meiner Meinung bestehen kann und Jule vermutlich den Grad an „struktureller Unstrukturiertheit“ vermisst, den sie ansonsten als charmante Zerstreutheit deutet.
Ich lasse jetzt mal die berühmte Katze aus dem Sack: Wer nicht in der Lage ist, für kleines Geld gesund und schmackhaft zu kochen, hat in meinen Augen nicht nur ein kulinarisches, sondern auch ein kulturelles Problem. Will sagen, das Leben besteht nicht nur aus Filet Mignon und Crème brûlée, sondern aus vielen Wochentagen, an denen komplexe Nahrungszubereitung zeitlich schwierig und auch nicht immer erwünscht ist. Zudem klagen alle über dicke Kinder, die Chips futternd vor ihrem Tablet hängen und glauben, dass Eier, Tomaten und Mortadella im Supermarkt quasi über Nacht nachwachsen, nachdem sie am Vortag von der Kundschaft dezimiert worden sind.
Was heißt das? In meiner Küche gibt es fast keine zugekauften Zwischenprodukte. Ich hab immer selbst gekochtes Tomatensugo als Basis für Bolognese oder Pizza im Gefrierfach, ebenso wie eingefrorene Gemüse- oder Hühnerbrühe als Resteverwertung des letzten Frikassées, die man wunderbar als Grundlage für den nächsten Eintopf oder das nächste Risotto verwenden kann. Einmal im Monat koche ich das Zeug ein und muss weder spontanen Besuch noch überraschend auftauchende Feiertage fürchten. Was unterscheidet uns von den Neandertalern? Die Möglichkeit zur Vorratshaltung. Was unterscheidet uns von unseren Eltern? Der Verzicht auf zweifelhafte Konserven mit aufgezuckerten Früchten.
Zudem habe ich mir einige Profitipps abgeschaut. Wenn ich koche, ist der Vorbereitungsgrad hoch, sehr vieles will vorbereitet sein und muss dann nur noch im richtigen Moment in den Topf geworfen werden („mise en place“). Das eigentliche Kochen untermalt die rituelle Weißweinzeremonie, die Bestandteil eines jeden abendlichen Kochens ist.
Wie passen da Kinder rein? Wollen sie nicht alles auf einmal in die Töpfe werfen? Wie sind ihnen die Feinheiten beizubringen, von denen nicht einmal die meisten Erwachsenen allzu viel verstehen? Droht nicht Chaos und das entspannte Köcheln zum nervenden Abendprogramm zu werden? Fragen Sie einen klugen Menschen und er wird in der Regel antworten: „Das kommt drauf an!“ Und worauf genau?
Die Küche ist eine Werkstatt – und zwar mit echten Werkzeugen
Der Herd ist heiß, die gusseinserne Pfanne mordsschwer und ein Griff in die Klinge des Kochmessers kann eine außerplanmäßige Fahrt zur Notaufnahme des hiesigen Krankenhauses zur Folge haben. Wie beim Trockenschwimmen ist man gut beraten, sich den Dingen erst einmal erklärend und benennend zu nähern. Wo stehen die Sachen und warum? Wozu benutzt man dieses Sieb? (Zum Abgießen von Pasta – aber warum taugt es für wenig sonst?) Warum ist ein stumpfes Messer gefährlicher als ein scharfes? Lassen Sie Ihr Kind zuschauen, Fragen stellen und erläutern Sie, warum Sie was wann tun.
Steigerung in kleinen Schritten
„Kann ich auch mal?“ – dies ist die meist gehörte Kinderfrage in allen Küchen dieser Welt. Die Antwort sollte weder „ja“ noch „nein“ lauten, sondern: „Zusammen!“ Aller guter Anfang ist Gemüse oder Salat waschen, Wasser einlassen, rumpatschen, Sieb zum Abtropfen, das ganze dreimal – da kann schon mal eine halbe Stunde ins Land gehen, kindliche Erschöpfung programmiert. Zweite Stufe ist Gemüse schneiden; es eignen sich Möhren, Zucchini, Gurken, Paprika und Auberginen. Üben Sie so zu schneiden, wie Sie es brauchen, und erklären Sie, warum es so sein soll (die Größe bestimmt den Garzeitpunkt). Die dritte Stufe ist, die Zutaten im brodelnden Hexentopf zu vermengen, Ratatouille ist das Rezept der Wahl.
Das Einfache und das Gute
Die kindliche Hingabe zu einfachen Dingen wie Pasta mit Tomatensugo oder Fischstäbchen mit Stampfkartoffeln ist legendär und stellt offenbar eine unverbrüchliche anthropologische Konstante dar. Schließen Sie sich nicht dem Reigen derjenigen an, die am Beharrungsvermögen des Nachwuchses verzweifeln. Von der Ostseeküste kommend, halte ich Fischstäbchen für eine mittelschwere Körperverletzung und bitte darum, sie nur bei Oma und Opa zu machen oder wenn ich nicht zum Essen da bin. Sugo hingegen kann man leicht variieren: ein paar Würfel Aubergine (melanzane, Kinder: „igitt!“); ein paar Oliven oder scharfe Peperoni für die „arrabiata“ – so hat jeder das, was ihm schmeckt, und niemand muss verzweifeln.
Das erste selbstgekochte Risotto, der erste Milchreis, die erste unfallfrei „al dente“ gekochte Pasta, der erste eigene Obstsalat als Dessert – für Kinder sind das stolz machende Meilensteine der Selbstständigkeit. Sie sind angekommen in der Welt der Großen, tragen Verantwortung für sich und die Familie; zelebrieren Sie das!
„Messer, Feuer, Schere, Licht…“
Hat ihr Kind keine Angst vor Kochmessern, dann stimmt vermutlich etwas nicht. Kinder fürchten sich in aller Regel vor diesen großen scharfen Dingern; nach ihren Größenverhältnissen sind das ja ausgewachsene Schwerter, die sie mit ihren kleinen Händen nicht wirklich führen können. Kaufen Sie kleinere Kindermesser, die haben zum Beispiel abgerundeten Spitzen und einen dünneren Schaft. Grillen Sie zusammen, machen Sie zusammen Feuer, sprechen Sie mit Ihrem Kind über Elektrizität. Wissen Sie selbst, wo der Feuerlöscher steht? Haben Sie immer ein paar Wundpflaster griffbereit für den Fall, dass ein Schnitt doch mal daneben geht?
Das Verkleidungsritual
Jedermann weiß, wie sehr Kinder es lieben, sich zu verkleiden. Die Verkleidung symbolisiert den Übergang in eine andere Rolle, zur Prinzessin oder zum Kater beispielsweise. Die Jungs schleppen stolz die Kinderimitation von Papas Heimwerkerhose in die Kita, die Mädels orientieren sich modisch an Mamas Sommerkleid.
In der Küche heißt dies: Schürzen an und Hände gründlich waschen! Der Übergang in die Welt der Ernsthaftigkeit ist damit markiert. Sprechen Sie die zu erledigenden Arbeitsschritte gemeinsam durch und staunen Sie, was Dreijährige alles konkret verstehen können. Lassen Sie Teilbereiche eigenverantwortlich erledigen und lassen Sie ruhig Zutaten verarbeiten, die vorgeblich nicht gemocht werden – der Geschmack rüttelt sich ohnehin noch alle naselang zurecht und braucht Inspiration. Vor allem: Loben Sie Ihr Kind, was das Zeug hält!
Probieren und Studieren
Auch heute noch geht eine unfassbare Magie von den scheinbar harmlosen Zutaten Mehl, Hefe, Wasser aus. Lautstark verkündete ich früher in meiner studentischen WG den festen Vorsatz, die beste Pizza der Straße backen zu können. Die fußläufig gelegene Pizzeria vom sympathischen Giovanni aus dem Salento war mir da eher noch Ansporn. Die meisten Freunde hielten das für einen Scherz, aber Pizza selbst backen ist ein einfach zu habender Riesenspaß und dazu noch altersübergreifend lecker und preisgünstig. Und leicht abzuwandeln hinsichtlich Flammkuchen, Zimtschnecken etc. Also, los geht’s: Kneten Sie zusammen Teig, rollen Sie aus, lassen Sie die Kinder ihre Pizza selbst belegen – dies übrigens auch als Idee für einen Kindergeburtstag.
Beziehen Sie Kinder in die Arbeitsschritte mit ein, lassen Sie sie das Geblubber im Topf und Schale abschmecken. Lassen Sie sie nachsalzen und umrühren, umrühren, umrühren …
Lesen Sie auch, wie Tom seinen Kindern den bewussten Umgang mit Lebensmitteln vermittelt – in seiner „Kritik der praktischen Essensvernunft“.
Posted on Categories Zusammen leben