Hand aufs Herz: Sind wir gute Vorbilder in Sachen Handy-Konsum? An meine eigene Nase gefasst, stelle ich fest: Jein. Der Grund, warum mir diese Frage gerade nicht mehr aus dem Kopf geht, war eine Begegnung auf der Fahrt zur Arbeit. An einer Kreuzung mit Zebrastreifen warte ich, dass ein Kind – seelenruhig – die Straße überquert. Ein Mädchen, dem Schulranzen nach eine Grundschülerin, winterlich eingepackt und mit gesenktem Kopf, tippelt von Bordstein zu Bordstein, vertieft in ihr Handy. Ohne Tempowechsel oder den Kopf zu heben, läuft sie einfach durch und weiter. Gut, es bestand keine Gefahr, aber trotzdem: Ist das nicht zu viel? Was ist so wichtig, dass das Kind auf dem Schulweg offenbar seine Augen nicht vom Display lösen kann? Und das ist ja wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs.
Das wirkliche Leben
Kaum jemand wird bestreiten, wie wichtig es für Kinder ist, in jeder Entwicklungsphase das wirkliche Leben zu erfahren und zu begreifen. Ob Herumtollen, Malen, Basteln oder beim Kochen mithelfen – all das ist händisch, braucht seine eigene Zeit und führt zu echten Erfahrungen mit allen Sinnen und greifbaren Ergebnissen. Ein selbstgemaltes Bild ist oft eine schöne Erinnerung über viele Jahre. Die erreichte Punktezahl in einer Spiele-App dagegen ist etwas ganz anderes. Was allerdings schmerzlich bleibt, ist die mit dem Handy (oder einem digitalen Spielzeug) verbrauchte Zeit und Anspannung.
Auch das Handy hat seine Daseinsberechtigung
Doch das Handy hat noch eine Dimension und es ist eine sehr knifflige Angelegenheit, hier Pro und Contra ins Gleichgewicht zu bringen. Das Handy ist ein Tor zur Welt, ein Werkzeug mit neuen Möglichkeiten, die Welt zu sehen. Es ist Zugang zu Wissen, verbindet uns mit anderen und hilft uns zu organisieren. Aber zeigen wir unseren Kindern diese Möglichkeiten auf? Machen wir sie neugierig darauf, mehr wissen zu wollen? Oder hocken wir sprachlos auf der Couch, daddeln und schauen „lustige“ Videos? Ohne Handy zu sein, ist keine Alternative. Dafür ist es zu nützlich im Leben, im Beruf und in der Schule.
Gewissensfrage: Vorbildfunktion
Kinder lernen durch Nachmachen. Sie leben aus, was wir ihnen vorleben. Und hier kommt die Gewissensfrage: Wann habe ich zuletzt ein Bild gemalt, ein Brettspiel gespielt oder etwas gebastelt? Oder andersherum: Wann habe ich das Handy zuletzt aus der Hand gelegt, es sogar ausgeschaltet, am Tisch gesessen und ein Buch gelesen? Eigentlich sollte es gar nicht so schwer sein, ein gutes Vorbild zu sein. Die Räume, die wir uns und unseren Kindern einrichten, bieten so viele Möglichkeiten, das echte Leben zu erleben! Sie warten nur darauf, dass wir sie nutzen.
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