Die ersten Monate flogen nur so an uns vorbei. Kaum war Lotti geboren, stand unsere Welt – ganz plötzlich und auf die bezauberndste mögliche Art – Kopf. Nichts war mehr so, wie wir es gewohnt waren. Neue Abläufe, neues Regiment! Ein neuer, kleiner, lautstarker Chef hatte den Führungsposten übernommen und strukturierte erst mal alles um. Schlafen? Nie länger als drei Stunden am Stück. Frische Windeln? Immer sofort zur Hand … und wehe, die Milch fließt nicht auf Abruf! Wir konnten schnell neue Routinen aufbauen und hatten alles soweit griffbereit, bis zu dem Tag als sich Lotti zum ersten Mal auf den Bauch drehte. Vor lauter Stolz sahen wir das Donnerwetter nicht, das auf uns zu rollte. Nur noch auf dem Rücken liegen ist stinklangweilig und wird weggeschrien. Der gute Stubenwagen, der sie stets besänftigen konnte, war jetzt unbeliebt, da man auf dem Bauch nur noch eine weiße flauschige Wand sah. Das Beistellbett wurde zu klein und ersetzt durch das Gitterbett, welches auf oberster Stufenhöhe neben meinem Bett stand und nun mit deutlich mehr Platz für die Bauchrolle punktete.
Schnell mussten wir feststellen, dass es bei unserem kleinen Chef nie langweilig werden darf. Also immer wieder Umräumen und neuen Platz schaffen. So konnten wir zwar schnell (und eigentlich auch schneller als uns lieb war) die schönen Meilensteinkarten abarbeiten, aber so wurden auch immer wieder Veränderungen in unserer Wohnung nötig. Einer der größten Einschnitte war das Krabbeln. Plötzlich kommt Lotti überall hin, wo sie mag, sodass spätestens jetzt alles kindersicher sein musste: Steckdosen, Kantenschutz und abschließbare Schubladen. Damit sie nicht nur vor verschlossenen Schubladen steht, haben wir beispielsweise die unteren Schubladen der Wickelkommode mit ihrem Spielzeug befüllt. So konnte sie sich hier austoben und ihre kleinen Patschehändchen waren durch den Schliessmechanismus vor dem Einklemmen geschützt. Natürlich darf auch nirgends etwas runterhängen, an dem schnell mal gezogen werden kann. Also neben Kabeln und Tischdecken sind das natürlich auch Klamotten und Taschen. Alles wird inspiziert, auf den Kopf gestellt und in allen möglichen Ecken verteilt, sodass unsere letzte Aufgabe vor dem Schlafen gehen meistens ist, die Wohnung wieder in ihren Urzustand zurückzuversetzen. Gitterbett und Laufstall mussten von der Höhe angepasst und nach unten versetzt werden – gesetzt den Fall, dass die Dame sich in den Laufstall setzen ließ. An ihrem ersten Geburtstag haben wir derartige Versuche aufgegeben, denn plötzlich ist sie losmarschiert. Und der erste Griff war zum Gitterbett, um dieses auf die unterste Stufe zu stellen. Die herausnehmbaren Gitterstäbe erwiesen sich als die beste Beschäftigung überhaupt, denn nun wurde immer und immer wieder das rein und wieder raus krabbeln geübt und zelebriert.
Sehr gerne verbringt Lotti ihre Zeit darin und um ihre Spielsachen zu sammeln, wenn sie nicht gerade den Rest der Wohnung auf den Kopf stellt. Seit sie laufen kann, ist nichts mehr sicher – auch nicht über einem Meter Höhe, denn sie kann überall hochklettern und sich hochziehen. Nach und nach wird jeder kleine, freie Fleck in der Wohnung erobert, sei es, weil man plötzlich nicht mehr ohne Kinderküche leben kann oder weil Oma einen heiß geliebten Kindersessel mitbringt. Inwieweit man das mit seiner Wohnung machen lässt, muss jeder selbst entscheiden. Für uns war es zwar ein schleichender Prozess, aber wenn man sich selbst gerne im Wohnzimmer aufhält, möchte man natürlich sein Kind bei sich haben. Und nun braucht dieses kleine Individuum seine Ecken, in denen es sich ausbreiten und austoben kann, selbst wenn es ein eigenes Zimmer hat. Schließlich wird sie sich noch früh genug allein in ihr Zimmer verziehen … und dann schimpfen wir es die böse Pubertät!
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