Wo auch immer das Thema „krank in die Kita“ angeschnitten wird, stellt sich schnell heraus, dass NIEMAND sein Kind morgens mit Fieber und Husten im Kindergarten abliefert und ALLE ihre Kinder zu Hause gesund werden lassen. Komisch, hier ist doch etwas faul!
Ich erinnere mich sehr wohl an Kinder mit grünlichem Sekret unter der Nase und glasigen Augen, die zusammen mit meinem Sohn an der Garderobe saßen und die Hausschuhe angezogen haben. Oder an Geschichten, dass die Hannah oder der Niklas während des morgendlichen Stuhlkreises auf den Boden gebrochen habe. „Das war voll ekelig, Mama. Es hat überall hin gespritzt.“ Oder an die mahnenden Worte der Kitaleitung am Elternabend, dass die Erzieher oft Wetten abschließen würden, welches Kind am Vormittag wohl Fieber bekäme. Nämlich dann, wenn die Wirkung des morgens von Mami oder Papi verabreichten Fiebersafts nachlässt. So sieht es aus.
Wutentbrannte Eltern, deren Kinder einen Infekt nach dem anderen im Kindergarten einfangen, Karrierefrauen, die im Businesslook ihr krankes Kind durch die Eingangstür schieben: Das sind Szenen, die jeder kennt.
Müssen Kinder immer funktionieren, damit der Alltag der Eltern funktioniert? Offensichtlich ja, denn der Druck ist groß. Auch wenn Chefs Verständnis für solche Situationen haben – die Arbeit bleibt dennoch liegen. In der Regel fühlen sich die Mütter verantwortlich, das Kind zu hüten. Muss das sein? Kann man nicht mal den Vater in die Verantwortung nehmen? Das Kinderhüten gerecht verteilen? Das wäre zumindest ein Ansatz, Müttern den Druck zu mindern.
Ärzte raten, kranke Kinder zu schonen. Das ist auch richtig: In erster Linie soll das kranke Kind geschützt werden. Man kann sich selber krank zur Arbeit quälen, aber kann man das auch von einem kleinen angeschlagenem Kind erwarten? Kindergarten bedeutet nicht nur Spiel und Spaß. Kindergarten bringt auch Stress mit sich: viele Menschen, Regeln, Streit und Lärm. Und dieser kann besonders anstrengend sein, wenn man sich nicht wohl fühlt.
Doch der Schutz gilt nicht nur den kleinen Patienten. Die Erzieher müssen die anderen Kinder vor Ansteckungen schützen. Und nicht nur das: Viel wichtiger ist es, dass sie sich selber schützen. Der Grund liegt auf der Hand: Sind sie krank, hat das Folgen. Manchmal weitreichend bis zur Schließung einer Einrichtung. Damit wäre den Eltern auch nicht geholfen. Noch mehr Arbeit im Job würde liegen bleiben.
Eines Tages änderte sich in der Gruppe meines Sohnes etwas. Ein Kind mit einem angeborenen Herzfehler, das bereits viele Operationen hinter sich hatte, wurde aufgenommen. Dringend wurde darauf hingewiesen, dass Infekte für das immungeschwächte Kind gefährlich wären. Und plötzlich gab es wesentlich weniger rotzende, hustende und aus glasigen Augen schauende Kinder. Im Ernstfall kann man also doch auf die Vernunft der Eltern zählen. Das lässt hoffen.
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