Imitieren ist eine der wichtigsten Lernmethoden. Leider machen die lieben Kleinen auch Dinge nach, die sie nicht sollen.
Papa soll den Schuppen bauen. Mika baut mit. Wie man einen Schraubenzieher hält, weiß er längst. Selbst am gefährlichen Stemmeisen hat er sich noch nie verletzt. Streichen klappt mitunter super. Der Schuppen und auch Mika selbst strahlen danach in stinkendem Lack-Braun. Aus den Klamotten bekommen wir das nicht mehr raus. Egal, jetzt wird gebohrt. Mika brüllt, weil Papa genau den Bohraufsatz braucht, den Mika gerade benutzt, um eine Schraube in das Holz zu „bohren“. Aber auch dieser Zwischenfall ist bald vergessen, denn die Schraube kann Papa zum Glück durch einen Nagel ersetzen, auf den der Kleine nun mit dem Hammer fröhlich drauf losgeklopft.
Mika kocht regelmäßig mit mir, den Hund zieht er an der Leine. Den Treppenschutz macht er im Minutentakt auf und zu, während ich versuche, schnell in den Waschraum zu huschen. Mist, ich wurde beobachtet. Da tappen die schnellen kleinen Füße zu mir, die Türe schließt sich, denn dahinter hängen Besen und Wischmopp. Jetzt wird geputzt. Danach gesaugt.
So geht das bei uns den ganzen Tag – und sobald Papa und Mika sich mit Rasierapparat und Pinsel abgewechselt haben, ist der Tag gerettet. Ich warte auf den Tag, an dem Mika auf Rasierschaum besteht …
Warum ist das so?
Imitation ist eine der wichtigsten Lernmethoden. Für Tiere ist es überlebenswichtig, dass sie ihre Eltern nachahmen. Es will möglichst schnell gelernt sein, wie man sich am besten Futter besorgt. Wie man gefährliche Situationen einschätzt und damit umgeht. Aber: Anders als Menschen imitieren Tiere nur die sinnvollen Dinge. Vorgänge, die tatsächlich einen Nutzen haben. Mein (Menschen-)Kind macht mir auch bedeutungslose Dinge nach: stolpern, blöde Geräusche, Ausdrucksweise und Grimassen. Es geht davon aus, dass alles, was Erwachsene tun, logisch ist. Auch wenn sie es nicht verstehen. Und deshalb wird minutiös kopiert.
Unsere Kinder sind intensiv anwesend, auch wenn wir es oft anders vermuten, sie sind offen und aufmerksam.
Mein Kleiner will nicht nur sehen, was ich tue, sondern auch wie. Während ich also den Tisch decke und dabei seufze oder vor mich hinsumme, rennt Mika durchs Wohnzimmer und singt mir nach. Genauso unverständlich und schief wie ich. Später rufe ich zum Abendessen – und während wir schon auf unseren Stühlen sitzen, beobachten wir den jungen Mann, wie er flink auf seinen Stuhl klettert und sich mit einem Seufzer auf sein Hinterteil fallen lässt. Soviel zu Imitation. Mir stellt sich da nur die Frage, ob er einen genauso stressigen Alltag hat wie ich, woran ich das tiefe Seufzen festmachen könnte.
Offensichtlich brauchen Kinder also Vorbilder zum Nachahmen. Sie entwickelt daraus ihren Charakter und die gesamte Persönlichkeit. Wenn ich ungeduldig und launisch bin, ist mein Sohn das meist auch. Mit dem Unterschied, dass ich keine Spielautos werfe. Meistens jedenfalls.
Mit Liebe, Wärme und Geborgenheit hat ein Kind die Möglichkeit, sich vollkommen auf den Vorgang seines Lehrers zu konzentrieren und sich auf das zu Lernende einzulassen.
Nie wieder werde ich behaupten, ich fördere mein Kind nicht genug. Denn selbst der Hund bringt unserem Kind das Bellen, Spielen und „auf allen Vieren laufen“ bei.
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