Letzte Woche nahm ich – wie immer – meinen einkaufserprobten Sohn mit zum Wocheneinkauf. Leute anstrahlen, im Wagen sitzen, Essen naschen, Dinge halten, an Mamas Schlüssel spielen. Kurzum: ein beliebtes Ereignis. Wir brauchten nicht ganz so viel wie sonst, da dachte ich mir: „Den Wagen brauche ich nicht, da lässt du das Kind eben laufen“. Man geht ja, von Wissenschaftlern und Psychologen bis ins kleinste Detail berechnet, seine altbewährte Runde durch den Laden. Bei uns führt die leider am Metzger vorbei. Da sind wir gute Kunden und Mika liebt es, wenn er dort seine Scheibe Wurst bekommt, während Mama fröhlich vor sich hin bestellt, und die Verkäuferinnen ganz bezaubert von meinem gar nicht so blöden, flirtenden Kind sind.
Am besagten Tag jedenfalls brauchten wir weder Wurst noch verspürte ich den Drang, mich in einer Reihe von fünf Frauen anzustellen, um meinem Sohn seine Scheibe Wurst zu beschaffen. Seiner Meinung nach hatte er diese allerdings mehr als verdient – und machte seinen Standpunkt auch sofort lautstark klar. Sofort zogen wir alle Blicke auf uns. Mein Einjähriger schmiss sich auf den Boden und weinte jämmerlich. Peinlich, wenn man mit einer Hand am Arm seines Kindes ziehen muss, während man versucht, mit der anderen seine Einkäufe zu balancieren.
Mit erst beruhigenden, später bestimmten Worten redete ich auf den Trotzkopf ein. Die Blicke ruhten selbstverständlich noch immer auf uns. Teils amüsiert, teils geschockt. Jetzt zieht die auch noch an ihrem Kind rum und hebt ihn am Arm hoch. Was für ein verzogener Bengel. Und als würde er die Gedanken der urteilenden Frauen lesen können, fing er nun auch noch an, nach mir und dem Boden zu treten. Wunderbar, warum habe ich mich nochmal für Kinder entschieden?
Und hier stellt sich die Frage: Wie, zum Teufel, soll ich mein Kind so erziehen, dass er Manieren hat, aber doch noch Kind sein darf? Wie kann ich Freund und Mutter zugleich sein? Wie kann ich mein Kind streng, aber doch fair erziehen?
Diese Frage stellen sich sicher einige Mütter – und oft ist einfach auch nicht klar, ab welchem Alter es sinnvoll ist, richtig durchzugreifen. Wann versteht mein Kind denn genau, wie die Sachlage ist und welche Konsequenzen sind angemessen? (Dass es „perfekt“ nicht gibt, ist mittlerweile klar, das hatten wir ja schon geklärt.)
Ich in meinem Fall bin streng erzogen worden und weiß, wann ich mich zu benehmen habe. Und doch wurde unsere Erziehung mit den Jahren immer lockerer. So möchte ich es auch beibehalten, denn wenn man erst mal weiß, was richtig ist und was falsch, können die Eltern auch mal nachlassen.
Ich möchte fair sein und mein Kind stets anhören – anders als es bei uns damals lief. „Weil ich es sage“ und „Ich habe immer Recht“ möchte ich nicht in meinen Erziehungsstil übernehmen. Ich tendiere immer mehr dazu, lockerer zu sein, nicht alles zu ernst zu nehmen und alternative Erziehungsmethoden anzuwenden.
Besonders schwierig wird es ja, wenn schlaue Sprüche der Eltern und Großeltern a lá „bei uns hat das auch geklappt“ und „euch haben wir auch großgezogen“ bekommen. Da muss man nicht mit rationalen Begründungen und Erklärungen anfangen, sondern wendet einfach nur die allgemein in solchen Fällen empfohlene Methode an: Nicken und Lächeln.
Eine Universallösung gibt es längst nicht – und das Beste ist, sich Vorbilder zu suchen, deren Methode einem zusagt. Und dann heißt es üben … und versuchen nachzumachen. Seiner eigenen Erziehung zu „entfliehen“ ist oft nämlich schwerer als gedacht.
In unserem speziellen Fall ging es so aus: Mit hoch erhobenem Kopf und schwer erwachsen habe ich mein brüllendes Kleinkind hochgenommen, seine fuchtelnden ausladenden Bewegungen mit einem bösen Blick bedacht, den Rest ignoriert und lief zur Kasse. Nach 30 Sekunden war die Sache gegessen und er flirtete mit der Kassiererin. Daheim gab es im Übrigen eine Scheibe Wurst auf die Hand.
Bin eben doch statt streng oft eher laissez faire.
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